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... und es ist doch Sport

 

„Das ist doch kein richtiger Sport“ hört man als Sportschütze immer wieder. „Was macht ihr schon? Steht rum und bewegt euch nicht.“

Um dieses ein wenig zu revidieren und um nahezubringen was eigentlich dahinter steckt möchte ich ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern, wie es zum Titel 2011 überhaupt kam.

 

Alle Langwaffenschützen mögen es mir verzeihen wenn ich hier nur über Pistolendisziplinen schreibe aber seid Euch sicher dass vor dem Gewehrschiessen höchste Achtung habe und ich genau weiß was es bedeutet mit einer so langen und schweren Pistole zu schießen.

 

Am Anfang war nicht das Feuer, sondern die Luft:

Die Grundlagen des Schießens habe ich mit der Luftpistole gelernt. Sie verzeiht so gut wie nichts!

Einmal zu lange halten, zu lange zielen oder den Schuss nicht sauber auslösen und du kannst die Serie vergessen. Wie oft ich vor Nervosität diese Fehler fabriziert habe kann ich nicht sagen.

Um den Ärger darüber möglichst gering zu halten habe ich, wie jeder andere Schütze auch, versucht aus den Fehlern zu lernen und meinen Sport so perfekt wie möglich auszuüben.

 

Der technische Ablauf der Schussabgabe hat sich über die Jahre entwickelt.

Es gibt kein Patentrezept. Probieren geht über studieren.

Sport- und Mannschaftskammeraden waren mir ebenso eine große Hilfe wie die verschiedenen Lehrgänge, die ich mit der Lupi beim DSB absolvieren durfte.

So sammelten sich mit der Zeit, Techniken, Ratschläge, Tipps und Tricks in einer riesengroßen, unaufgeräumten Seemannskiste.

Jedes einzelne dieser Dinge aus der Kiste ist ein Puzzleteil und hat unwiderruflich einen Anteil zum Erreichen des Titels beigetragen.

 

 

Wie habe ich das mit dem Titel also gemacht?

So richtig weiß ich es auch nicht. Ich beschreib es mal so:

„Ich war zur richtigen Zeit mit den richtigen Leuten am richtigen Ort und habe 32-mal alles und 8-Mal fast alles richtig gemacht.“ 

Das macht dann 392 Ringe und mehrere Runden im Biergarten „Zur Mühle“.

 

Über die Jahre haben wir als Mannschaft den perfekten Wettkampf angestrebt.

Das bedeutet ganz einfach, dass wir nichts dem Zufall überlassen und uns in allen Belangen gegenseitig unterstützt haben.

Kompromisse gibt es nicht. Wir wollen keine neun, wir wollen eine zehn.

 

So ist uns 2009 der Mannschaftssieg mit dem .357Magnum Revolver gelungen.

Klappt aber auch nicht immer.

Aber wir haben Ziele für die Zukunft.

 

Es gibt für uns ein paar einfache Grundregeln, die diese Ergebnisse überhaupt möglich machen.

 

Mannschaft:

Mannschaftskollegen, die einem bei jedem Schuss die Daumen halten und sich für jede geschossene Zehn des Kollegen freuen … auch wenn sie direkte Konkurrenten in der Einzelwertung sind.

Wir sind unser „Backup“! Wir wollen lieber gemeinsam gewinnen als Einzeln.

Jeder kann mit der Waffe des anderen einen Wettkampf bestreiten, wenn es sein muss.

Wir sind gleich.

Das beruhigt.

 

 

 

Waffen:

Funktionstüchtige Waffen, auf die wir uns zu 100% verlassen können, von denen wir wissen, dass sie, wenn wir sauber Schießen auch das Loch in die 10 machen. Kein Kratzen kein Haken, alles läuft perfekt und sauber.

 

Munition:

100% getestete Munition, sowohl von der Präzision als auch vom Mindestimpuls. Und wenn ich hier sage, dass wir beim Wiederladen jede einzelne Patrone nachmessen, in die Hand nehmen und einsortieren, so ist das nicht gelogen. Einige meinen es sei übertrieben, wir wissen, dass es die notwendige Sicherheit und Ruhe bringt.

 

Zettel 1:

Jede einzelne Waffe hat ihren kleinen laminierten Zettel.

Darauf steht bei welcher Trefferlage wir an welcher Schraube in welche Richtung drehen müssen.

Hört sich blöd an und sollte man als alter Sportschütze kennen?

Schon richtig …

aber auch beim Wettkampf um den deutschen Meistertitel mit 200 Zuschauern im Nacken?

 

Zettel 2:

Jeder erwischt sich bei gemachten Fehlern. Diese Zettel beinhalten die Lösungen.

Darauf stehen so Dinge wie:

Langsam und sauber ziehen

Achte auf die Symmetrie der Visierung

Absetzen wenn nötig …

Sie sollen uns nur Erinnern nicht nachlässig zu werden

 

Zaubertrank:

Wir haben einen Zaubertrank!

 

Noch ein paar Wichtige Dinge die dazu gehören:

Spaß an der Sache

Genaue Kenntnis über die relevanten Paragrafen der Sportordnung

ein ausreichendes Training im Vorfeld

gute funktionierende Ausrüstung

funktionierende Augen

Unterstützung durch Familie und den Verein

ein ausgewogenes Frühstück

eine gehörige Portion Ehrgeiz

viel Traubenzucker

und nicht zuletzt die Einstellung, dass der Bessere es verdient zu gewinnen

 

Das alles versetzt uns in die Lage den Kopf für Wichtiges frei zu haben und mit der notwendigen Gelassenheit die Sache anzugehen.

 

Bei mir speziell ist es so, erst wenn ich mir über nichts anderes Gedanken machen Muss kann ich mich vollends auf die Technik der Schussabgabe konzentrieren. Hat die Waffe einen Defekt oder ist die Munition nicht getestet, neide ich meinem Nachbarn jede Zehn oder freue mich über seine Acht, dann sind meine Gedanken genau da wo sie nichts zu suchen haben und der Wettkampf geht wahrscheinlich in die Hose.

Ich tue gerade in diesem Moment nur das Eine … den Schuss sauber auslösen … und das wieder und wieder.

Auch wenn es am Ende immer knallt beruhigt mich dieser Ablauf und die anfängliche Nervosität verfliegt.

 

Nervosität?

Klar sind wir nervös. Wäre auch schlimm, wenn nicht. Das Kribbeln ist bei jedem Wettkampf da.

Natürlich bei einer Kreismeisterschaft wesentlich geringer als bei der Deutschen!

Durch die vielen Wettkämpfe und spannenden Finalschiessen ist sie merklich zurück gegangen.

Aber sie ist da! Und die Nervosität geht auch nicht weg.

Wenn sie überhandnimmt dann zähle ich Dinge.

Die Latten der Deckung, die Munition oder die Ziegelsteine. Das hilft.

Keine Ahnung was die anderen machen, woran sie denken. Jeder hat da sein Ding.

 

Sobald aber das Kommando: „Laden“ kommt, gewinnt die Konzentration die Oberhand.

Aber … manchmal zittern die Hände trotzdem, egal was man macht.

 

Bei dem Wettkampf der für mich die MeisterschaftSportpistole .45ACP in der Schützenklasse bedeutete habe ich die Präzisionserie für meine Verhältnisse überdurchschnittlich gut geschossen, 197 Ringe … 3 Miese bei 20 Schuss. Als ich dann realisierte, dass nun nur noch die Zeitserie kommt, bei der ich im Training höchstens mal ein bis zwei Ringe liegen lasse, dachte ich:

„Ach du Scheiße, könnte viel werden oder total in die Hose gehen, weil du jetzt anfängst zu zittern … Blödmann!“

Und da war es … zu viel gedacht! Nicht bei der Sache geblieben.

Die Zeitserien (20 Sekunden) liefen weniger gut, 5 Miese, also 195 Ringe.

Ich soll nicht zählen wurde mir beigebracht.

Wie soll das bitte gehen bei 3 Miesen?? Das muss man nicht mehr zählen!

Aber was soll ich meckern, hat ja noch gepasst.

 

2 Ringe zum nächsten ... ausgerechnet Markus Bartram, der mit mehr als 30 Meistertiteln.

Der Mann ohne Nerven, der "Dominator" wie er im Bericht eines bekannten Schießsportjournals genannt wurde und dem ich insgeheim nacheiferte.

Während des Finalschiessens fragte er mich noch: „Na, wieder nervös?“

Ich glaube ich sagte: „Klar, und du bestimmt auch!“ und dachte bei mir: "Heute bist du dran, du hast alles gemacht um zu 100% in Ruhe schiessen zu können, keine Sorge."

 

99 Ringe im Finalschiessen

 

Reicht!

 

Danke, fertig!

​

Danach kam noch die Mindestimpulskontrolle. Ein notwendiges Übel.

Auch geschafft!

 

Tja, so war das.

 

Zum guten Schluss möchte ich mich einfach bei allen bedanken,

die mir vieles über das Schießen und den Kampf gegen die Nervosität beigebracht haben.

 

Aber, ganz besonders möchte ich mich bei denen bedanken, die mir auf dem Stand den letzten Nerv gekostet haben die mich versucht haben aus der Ruhe zu bringen und mit Husten und Rumkramen in Ihren Sachen aus der Fassung bringen wollten.

 

 

Danke, ihr wart meine besten Lehrer.​

 

 

Holger Buchloh (2011)

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